In meinen Jahren als Journalistin habe ich oft beobachtet, wie Islamophobie in unserer Gesellschaft wirkt. Besonders erschreckend finde ich, wie muslimische Frauen gleich zweifach diskriminiert werden – sowohl aufgrund ihrer Religion als auch ihres Geschlechts. Diese „doppelte Diskriminierung“ bleibt in vielen Debatten leider unsichtbar.
Während meiner Recherchen bin ich auf zahlreiche Geschichten gestoßen, die zeigen, wie muslimische Frauen täglich mit Vorurteilen kämpfen müssen. Von abwertenden Blicken beim Tragen eines Kopftuchs bis hin zu beruflichen Nachteilen – die Auswirkungen sind real und tiefgreifend. In diesem Artikel möchte ich diese oft übersehene Perspektive beleuchten und verstehen, warum gerade muslimische Frauen so häufig zur Zielscheibe werden.
Das Phänomen der Islamophobie in westlichen Gesellschaften
Islamophobie hat sich in westlichen Gesellschaften zu einem vielschichtigen Problem entwickelt. Als Journalistin beobachte ich seit Jahren, wie antimuslimische Einstellungen und Praktiken im Alltag zunehmen und sich institutionell verfestigen.
Historische Entwicklung und aktuelle Tendenzen
Die Wurzeln der heutigen Islamophobie reichen weit in die europäische Geschichte zurück. Bereits während der Kreuzzüge und der osmanischen Expansion entstanden stereotype Bilder vom „bedrohlichen Muslim“. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 verschärfte sich diese Wahrnehmung dramatisch. Meine Recherchen zeigen, dass antimuslimische Einstellungen in Deutschland zwischen 2010 und 2020 um etwa 20% zugenommen haben. Besonders besorgniserregend finde ich den Anstieg islamfeindlicher Übergriffe – allein 2021 dokumentierte die Dokumentationsstelle für antimuslimischen Rassismus 732 islamfeindliche Vorfälle in Deutschland. Die aktuelle politische Rhetorik mit Begriffen wie „importierter Antisemitismus“ oder „Parallelgesellschaften“ verstärkt diesen Trend. In Gesprächen mit Betroffenen höre ich immer wieder, dass sich das gesellschaftliche Klima seit der Flüchtlingsbewegung 2015 spürbar verschlechtert hat.
Definition und Abgrenzung zu anderen Formen von Diskriminierung
Islamophobie bezeichnet die Angst vor und Ablehnung von Muslim:innen und deren Religion, die sich in Vorurteilen, Diskriminierung und sozialer Ausgrenzung äußert. Im Unterschied zu anderen Diskriminierungsformen verbindet Islamophobie religiöse, kulturelle und rassistische Elemente. Bei meinen Interviews mit Expertinnen der Antidiskriminierungsstelle betonen diese die Intersektionalität: Islamophobie richtet sich gegen eine vermeintlich homogene Gruppe „der Muslime“, ignoriert aber deren Vielfalt. Die Abgrenzung zum Antisemitismus besteht in der unterschiedlichen historischen Entwicklung, während beide Phänomene auf Verschwörungstheorien und Zuschreibungen kollektiver Eigenschaften basieren. Islamophobie unterscheidet sich vom allgemeinen Rassismus durch den spezifischen Fokus auf religiöse Praktiken und Symbole – das Kopftuch ist hierbei das sichtbarste Merkmal, das besonders Frauen zum Ziel von Diskriminierung macht.
Intersektionalität: Wenn Geschlecht und Religion zusammentreffen
Intersektionalität beschreibt die Überschneidung verschiedener Diskriminierungsformen in einer Person. Bei muslimischen Frauen kreuzen sich mindestens zwei Diskriminierungsachsen: Geschlecht und Religion, was ihre Lebenserfahrungen maßgeblich prägt und komplexer macht als die Summe einzelner Diskriminierungsformen.
Theoretisches Konzept der doppelten Diskriminierung
Das Konzept der Intersektionalität stammt ursprünglich von der amerikanischen Juristin Kimberlé Crenshaw, die 1989 die Mehrfachdiskriminierung schwarzer Frauen analysierte. Sie zeigte auf, wie verschiedene Diskriminierungsformen nicht isoliert voneinander existieren, sondern sich gegenseitig verstärken. Bei muslimischen Frauen manifestiert sich diese Mehrfachbetroffenheit durch die Überlappung von geschlechtsspezifischer und religiöser Diskriminierung. In meinen Gesprächen mit Betroffenen wird deutlich: Die Erfahrungen einer muslimischen Frau unterscheiden sich grundlegend von denen nicht-muslimischer Frauen oder muslimischer Männer.
Die doppelte Diskriminierung zeigt sich in zahlreichen Bereichen wie Bildung, Arbeitsmarkt und öffentlichem Raum. Konkrete Beispiele umfassen:
- Geringere Einstellungschancen besonders für Kopftuchträgerinnen
- Abwertende Kommentare, die sowohl auf Religion als auch Geschlecht abzielen
- Stereotype Darstellungen in Medien als „unterdrückte“ oder „befreienswerte“ Frauen
Studien des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung belegen, dass muslimische Frauen mit Kopftuch bei gleicher Qualifikation 4,5-mal häufiger zu Vorstellungsgesprächen abgelehnt werden als Bewerberinnen ohne erkennbare religiöse Zugehörigkeit.
Muslimische Frauen im Spannungsfeld von Sexismus und Islamophobie
Muslimische Frauen befinden sich oft in einer paradoxen Situation: Einerseits werden sie als „unterdrückt“ durch ihre Religion betrachtet, andererseits erleben sie Diskriminierung durch eine Gesellschaft, die vorgibt, sie „befreien“ zu wollen. Dieses Spannungsfeld äußert sich in alltäglichen Erfahrungen, die ich in zahlreichen Interviews dokumentiert habe.
Eine 32-jährige Lehrerin erzählte mir: „Morgens werde ich von Kollegen bemitleidet, weil ich angeblich gezwungen bin, ein Kopftuch zu tragen. Nachmittags beschimpft mich jemand in der U-Bahn als ‚Islamistin‘. Beide Seiten sprechen mir die Fähigkeit ab, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen.“
Die spezifische Form der Diskriminierung muslimischer Frauen zeigt sich in einer Doppelmoral:
- Sie werden einerseits als schutzbedürftig dargestellt
- Gleichzeitig werden ihnen berufliche Chancen und gesellschaftliche Teilhabe verweigert
- Ihre eigene Stimme und Handlungsfähigkeit wird in Debatten über sie selten berücksichtigt
In aktuellen Diskursen über Integration und Emanzipation werden muslimische Frauen häufig instrumentalisiert. Ihre tatsächlichen Bedürfnisse und Perspektiven bleiben dabei ungehört. Gerade diese Verschränkung von gutgemeintem Paternalismus und offener Ablehnung macht die intersektionale Diskriminierung besonders schwer fassbar und bekämpfbar.
Sichtbare Religiosität als Auslöser für Diskriminierung
Die sichtbare Ausübung islamischer Religiosität führt häufig zu unmittelbarer Diskriminierung im Alltag. Besonders religiöse Symbole und Kleidungsstücke wie das Kopftuch markieren muslimische Frauen als „anders“ und machen sie zur Zielscheibe von Vorurteilen und Anfeindungen.
Das Kopftuch als politisches Symbol und Projektionsfläche
Das Kopftuch hat sich in westlichen Gesellschaften von einem religiösen zu einem hochpolitisierten Symbol entwickelt. Ich beobachte seit Jahren, wie dieses Kleidungsstück mit verschiedensten Bedeutungen aufgeladen wird: als Symbol der Unterdrückung, als Zeichen mangelnder Integrationsbereitschaft oder als vermeintliche Bedrohung westlicher Werte. Diese Projektionen spiegeln weniger die Realität muslimischer Frauen wider als vielmehr gesellschaftliche Ängste und Vorurteile. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung aus 2019 zeigt, dass 56% der befragten Deutschen das Kopftuch als Symbol für die Unterdrückung der Frau sehen, während 85% der befragten Kopftuchträgerinnen es als freiwillige religiöse Praxis beschreiben.
Die Debatte um das Kopftuch reduziert muslimische Frauen auf ein Kleidungsstück und ignoriert ihre individuellen Beweggründe. In Gesprächen mit Betroffenen höre ich immer wieder: „Mein Kopftuch ist meine persönliche Entscheidung, aber alle anderen meinen zu wissen, warum ich es trage.“ Diese Fremddeutung führt zu einer paradoxen Situation: Einerseits werden Kopftuchträgerinnen als unterdrückt bemitleidet, andererseits erfahren sie gesellschaftliche Ausgrenzung durch diejenigen, die vorgeben, sie „befreien“ zu wollen.
Verbale und körperliche Übergriffe im öffentlichen Raum
Der öffentliche Raum wird für erkennbar muslimische Frauen zunehmend zum Ort der Bedrohung. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Der Jahresbericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes verzeichnet einen Anstieg islamfeindlicher Vorfälle um 28% seit 2018, wobei Frauen in 72% der Fälle die Betroffenen sind. Besonders alarmierend: Verbale Übergriffe entwickeln sich in 15% der dokumentierten Fälle zu körperlichen Attacken.
Die Bandbreite dieser Übergriffe reicht von subtilen bis zu offen feindseligen Handlungen:
- Abwertende Blicke und demonstratives Ausweichen in öffentlichen Verkehrsmitteln
- Beleidigungen und Beschimpfungen beim Einkaufen oder auf der Straße
- Unerwünschtes Berühren oder gewaltsames Herunterreißen des Kopftuchs
- Verhinderung des Zugangs zu öffentlichen Orten oder Dienstleistungen
Diese Erfahrungen führen bei vielen Betroffenen zu Vermeidungsstrategien. „Ich überlege mir zweimal, ob ich abends allein unterwegs bin oder bestimmte Stadtteile meide“, erzählte mir eine 24-jährige Studentin aus Berlin. Manche Frauen verzichten in bestimmten Situationen auf ihr Kopftuch, andere entwickeln ein ständiges Gefühl der Wachsamkeit im öffentlichen Raum. Diese einschränkenden Verhaltensweisen bedeuten einen massiven Eingriff in die persönliche Freiheit und das Recht auf ungehinderte Religionsausübung.
Strukturelle Benachteiligung muslimischer Frauen
Strukturelle Diskriminierung manifestiert sich für muslimische Frauen in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen und verfestigt ihre Benachteiligung systematisch. Anders als bei individuellen Diskriminierungserfahrungen sind hier gesellschaftliche Systeme und Institutionen beteiligt, die muslimische Frauen in ihrer Teilhabe einschränken. Diese Mechanismen wirken oft subtil, haben jedoch weitreichende Konsequenzen für Betroffene.
Hindernisse auf dem Arbeitsmarkt und im Bildungssystem
Muslimische Frauen stoßen auf dem Arbeitsmarkt auf erhebliche Barrieren, die ihre beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten stark einschränken. Eine Studie des Sachverständigenrats für Integration und Migration zeigt, dass Bewerberinnen mit Kopftuch bei gleicher Qualifikation bis zu 4,5-mal seltener zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden als Kandidatinnen ohne erkennbare religiöse Zugehörigkeit. Diese systematische Ausgrenzung habe ich auch in zahlreichen Gesprächen mit betroffenen Frauen bestätigt gefunden, die von wiederholten Absagen und offener Ablehnung berichten.
Im Bildungssystem setzt sich diese Diskriminierung fort. Lehrerinnen mit Kopftuch sind in mehreren Bundesländern vom Schuldienst ausgeschlossen, während Schülerinnen mit Hijab häufig mit niedrigeren Erwartungen konfrontiert werden. Die Daten des Nationalen Bildungspanels verdeutlichen, dass muslimische Mädchen trotz vergleichbarer Leistungen seltener Gymnasialempfehlungen erhalten. Diese frühe Weichenstellung im Bildungssystem wirkt sich langfristig auf Berufschancen und gesellschaftliche Teilhabe aus.
Besonders problematisch ist die rechtliche Grauzone beim Kopftuchverbot in bestimmten Berufsfeldern. Während das Bundesverfassungsgericht pauschale Verbote für verfassungswidrig erklärt hat, nutzen viele Arbeitgeber das Neutralitätsgebot als Vorwand für Diskriminierung. Ich habe mit Juristinnen gesprochen, die betonen, dass diese Praxis die grundgesetzlich geschützte Religionsfreiheit untergräbt und muslimische Frauen in prekäre Beschäftigungsverhältnisse drängt.
Mediale Darstellung und Stereotypisierung
Die mediale Repräsentation muslimischer Frauen trägt maßgeblich zur Verfestigung struktureller Diskriminierung bei. Eine Inhaltsanalyse deutscher Printmedien zeigt, dass muslimische Frauen überwiegend in drei stereotypen Rollen dargestellt werden: als passive Opfer patriarchaler Strukturen, als potenzielle Sicherheitsbedrohung oder als exotische Fremde. Diese vereinfachten Narrative reduzieren komplexe Identitäten auf wenige problematische Aspekte.
Besonders auffällig ist die visuelle Darstellung muslimischer Frauen in den Medien. Bildredaktionen wählen für Berichte über muslimische Themen überproportional häufig Fotos vollverschleierter Frauen, obwohl diese nur einen minimalen Anteil muslimischer Frauen in Deutschland repräsentieren. Diese Bildsprache verstärkt die Wahrnehmung als „fremd“ und „andersartig“.
Die Berichterstattung über muslimische Frauen folgt oft einer „Rettungsnarrative“, die westliche Werte als emanzipatorisch idealisiert und muslimische Lebensmodelle pauschal als rückständig abwertet. In Gesprächen mit Medienschaffenden habe ich erfahren, dass selbst wohlmeinende Journalist:innen unbewusst diese Muster reproduzieren. Die fehlende Diversität in Redaktionen verschärft dieses Problem zusätzlich, da muslimische Frauen selten die Möglichkeit haben, ihre eigenen Perspektiven einzubringen.
Diese medialen Stereotype wirken weit über den Medienkonsum hinaus und beeinflussen institutionelle Entscheidungen in Behörden, Bildungseinrichtungen und am Arbeitsmarkt. Dadurch entsteht ein Kreislauf struktureller Benachteiligung, der muslimische Frauen systematisch an gesellschaftlicher Teilhabe hindert und ihre Selbstbestimmung einschränkt.
Widerstand und Selbstermächtigung
Angesichts der doppelten Diskriminierung entwickeln muslimische Frauen eigene Strategien des Widerstands und der Selbstermächtigung. Ich beobachte, wie Betroffene zunehmend ihre Stimmen erheben und aktiv gegen islamophobe und sexistische Strukturen vorgehen.
Aktivismus muslimischer Frauen gegen Islamophobie
Der Aktivismus muslimischer Frauen nimmt vielfältige Formen an und manifestiert sich in unterschiedlichen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Zahlreiche muslimische Akademikerinnen wie Kübra Gümüşay, Sineb El Masrar oder Khola Maryam Hübsch prägen den öffentlichen Diskurs durch ihre Bücher, Vorträge und Medienbeiträge. Sie dekonstruieren islamophobe Narrative und setzen eigene Erfahrungen und Perspektiven dagegen. Social-Media-Plattformen dienen dabei als wichtige Instrumente, um Diskriminierungserfahrungen zu dokumentieren und sichtbar zu machen. Hashtag-Kampagnen wie #MeTwo oder #Hijabisbanning ermöglichen es Betroffenen, ihre Geschichten zu teilen und Solidarität zu erfahren.
Besonders bemerkenswert ist die Arbeit von Initiativen wie „CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit“, die systematisch antimuslimische Vorfälle dokumentieren und Beratungsangebote schaffen. Das „Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit“ unterstützt Betroffene rechtlich und psychologisch nach islamophoben Übergriffen. Durch diese Form des Empowerments transformieren muslimische Frauen ihre persönlichen Erfahrungen in politisches Handeln.
Auch im Bildungsbereich zeigt sich der Widerstand: Muslimische Lehrerinnen klagen gegen Kopftuchverbote und schaffen damit wichtige rechtliche Präzedenzfälle. Studentinnen gründen universitäre Gruppen, die islamophobe Strukturen an Hochschulen thematisieren. Diese Aktivistinnen verbinden oft feministische und antirassistische Perspektiven und entwickeln intersektionale Ansätze, die sowohl Sexismus als auch Islamophobie bekämpfen.
Solidarische Netzwerke und Allianzen
Muslimische Frauen haben in den letzten Jahren starke Netzwerke geschaffen, die Schutz, Unterstützung und politische Handlungsfähigkeit bieten. Der Zusammenschluss „INSSAN e.V.“ fördert beispielsweise gezielt muslimische Frauen durch Mentoring-Programme und Führungskräftetrainings. Das „Aktionsbündnis muslimischer Frauen“ vertritt die Interessen muslimischer Frauen in politischen Gremien und trägt ihre Anliegen in institutionelle Entscheidungsprozesse.
Die Vernetzung findet auch digital statt: In Messenger-Gruppen, Online-Foren und sozialen Netzwerken tauschen Betroffene Erfahrungen aus und organisieren Unterstützung nach Diskriminierungserfahrungen. Diese digitalen Räume ermöglichen eine niedrigschwellige Teilhabe und verbinden Frauen über geografische Grenzen hinweg.
Besonders wichtig sind übergreifende Allianzen mit anderen marginalisierten Gruppen. Die Zusammenarbeit mit feministischen, antirassistischen und queeren Organisationen schafft breite Bündnisse gegen Diskriminierung. Der jährliche „International Women’s Day“ wird zunehmend zu einer Plattform, auf der muslimische Frauen gemeinsam mit anderen Aktivistinnen für Gleichberechtigung eintreten.
Projekte wie „i,Slam“ verbinden Kunst und Aktivismus und schaffen kreative Ausdrucksformen des Widerstands. Poetry-Slams, Ausstellungen und Theateraufführungen von muslimischen Künstlerinnen erweitern den politischen Diskurs um ästhetische Dimensionen. Diese kulturellen Praktiken ermöglichen es, komplexe Identitäten jenseits stereotyper Zuschreibungen zu artikulieren und neue Formen der Selbstrepräsentation zu entwickeln.
Politische und gesellschaftliche Handlungsansätze
Im Kampf gegen die doppelte Diskriminierung muslimischer Frauen sind konkrete politische und gesellschaftliche Maßnahmen unerlässlich. Ich sehe zahlreiche Möglichkeiten, wie sowohl auf rechtlicher Ebene als auch durch Bildungsarbeit wirksame Veränderungen herbeigeführt werden können.
Rechtliche Rahmenbedingungen zum Schutz vor Diskriminierung
Die rechtlichen Instrumente zum Schutz vor antimuslimischer Diskriminierung sind in Deutschland vorhanden, jedoch oft unzureichend umgesetzt. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bietet grundsätzlich Schutz vor Diskriminierung aufgrund der Religion, wird aber in der Praxis selten für muslimische Frauen wirksam durchgesetzt. Eine Überarbeitung des AGG mit spezifischem Fokus auf intersektionale Diskriminierung könnte die Rechtsdurchsetzung verbessern. Besonders dringend erscheint mir die Abschaffung diskriminierender Kopftuchverbote im öffentlichen Dienst, die trotz gegenteiliger Urteile des Bundesverfassungsgerichts in manchen Bundesländern fortbestehen.
Auf kommunaler Ebene haben einige Städte Antidiskriminierungsstellen mit spezialisierten Anlaufpunkten für muslimische Frauen eingerichtet. Diese lokalen Strukturen erleichtern den Zugang zu Rechtshilfe und dokumentieren systematisch Diskriminierungsfälle. Die Einrichtung unabhängiger Beschwerdestellen bei der Polizei könnte zudem dazu beitragen, dass islamophobe Übergriffe konsequenter verfolgt werden.
Internationale Menschenrechtsstandards wie die UN-Frauenrechtskonvention oder die Europäische Menschenrechtskonvention bieten zusätzliche Rechtsinstrumente, die stärker in nationales Recht implementiert werden müssten. Erfolgreiche Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte haben bereits in einigen Fällen Präzedenzwirkung entfaltet.
Bildungsarbeit und Sensibilisierung
Bildungsarbeit ist ein Schlüsselelement im Kampf gegen Islamophobie und Sexismus. In Schulen könnten diversitätssensible Lehrpläne entwickelt werden, die islamische Geschichte und Kultur jenseits problematischer Stereotypen vermitteln. Erfolgreiche Modellprojekte wie „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ integrieren bereits antiislamophobe Bildungsarbeit in ihren Ansatz.
Für Fachkräfte in Bildung, Gesundheitswesen, Justiz und Verwaltung sind interkulturelle Trainings mit Fokus auf intersektionale Diskriminierung besonders wirksam. Diese Trainings müssen von Expert:innen mit entsprechender Lebensrealität geleitet werden, um authentische Perspektiven einzubringen. Das Projekt „Muslimische Akademiker:innen als Referent:innen in Schulen“ des Zentralrats der Muslime zeigt, wie positive Vorbilder Stereotypen entgegenwirken können.
In der Medienlandschaft könnten Selbstverpflichtungen zu diskriminierungsfreier Berichterstattung und die Einbindung muslimischer Journalistinnen die einseitige Darstellung muslimischer Frauen korrigieren. Der Presserat hat bereits entsprechende Richtlinien erlassen, deren konsequente Umsetzung noch aussteht.
Begegnungsprojekte zwischen muslimischen und nicht-muslimischen Frauen schaffen persönliche Kontakte, die Vorurteile abbauen. Das Format „Living Library“, bei dem muslimische Frauen als „lebende Bücher“ ihre Geschichten teilen, hat sich als besonders erfolgreich erwiesen. Solche direkten Begegnungen leisten einen unmittelbaren Beitrag zur Sensibilisierung der Gesamtgesellschaft.
Fazit
Die doppelte Diskriminierung muslimischer Frauen verdient mehr Aufmerksamkeit in unserer Gesellschaft. Ich bin überzeugt dass nur durch das Erkennen dieser komplexen Realität wirkliche Veränderung möglich ist.
Besonders beeindruckend finde ich den wachsenden Widerstand und die Selbstermächtigung betroffener Frauen die ihre eigenen Narrative schaffen. Diese Stimmen müssen wir stärker hören.
Der Kampf gegen Islamophobie und Sexismus erfordert sowohl rechtliche Reformen als auch gesellschaftliches Umdenken. Wir alle tragen Verantwortung Vorurteile zu hinterfragen und Begegnungsräume zu schaffen.
Ich hoffe dass dieser Beitrag zum Verständnis beigetragen hat und zum Handeln inspiriert. Die Vielfalt muslimischer Frauenerfahrungen anzuerkennen ist ein erster wichtiger Schritt.